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Europäische Erklärungen zur Bildung und zur Kultur
im Handwerk der Steinmetzen und Steinbildhauer
In allen Ländern hat das Handwerk der Steinmetzen und Steinbildhauer
großartige Zeugnisse des Kulturgutes erschaffen, die ein elementares
Potential der Identität für die Völker bedeuten. Zum Teil in über
Jahrhunderte andauernden Baugeschehen entstanden Werke, die bis heute
Bestand haben und weiter haben werden.
Um diese Werke zu vollbringen, wurden durch Berufsbildung und durch
Berufskultur mannigfache Fertigkeiten und Kenntnisse von höchster
Qualität und feinster Ausprägung erlangt. Der Bau großer Kathedralen
wäre ohne das Wesen der Bauhütten, ihres Systems und ihrer Schulung,
nicht möglich gewesen. Neben vielem Anderen erinnert daran das
Zustandekommen einer Ordnung des Bauhüttenverbandes von 1459.
Es ist wesentlich, sich der Bedeutung und Verpflichtung des Erbes und
der Verantwortung und Aufgabe einer Gestaltung der Zukunft bewusst zu
sein. Wenn das Können und das Wissen, mittels dessen ein Werk
errichtet wurde, nicht mehr vorhanden ist, so kann dieses auf Dauer
auch nicht richtig gepflegt und erhalten werden. Wertvolle Inhalte
unserer kunsthandwerklichen Fertigkeiten und Kenntnisse müssen für die
Kultur heute und in kommenden Epochen bewahrt und gefördert werden -
dies unter Beachtung der örtlichen Gegebenheiten und in Respekt vor
dem, was die Vorfahren und Kollegen in den Ländern geleistet haben.
Darauf gründet das stete Bestreben, den Stand in seinem Niveau zu
verbessern und in Geltung zu bringen.
Die berufliche Bildung ist in den Ländern Europas sehr unterschiedlich
geregelt. Kein einzelnes System ist auf alle anderen Länder
übertragbar. Es gibt den Bedarf, Sinnvolles zu verknüpfen und neue
Möglichkeiten zu nutzen. Auch das bedeutet im zusammenwachsenden
Europa eine Erweiterung, die im kulturschaffenden Steinmetzhandwerk
exemplarisch ein generationsübergreifender Prozess ist. Dieser ist
eine Chance, wenn er kreativ und positiv genutzt wird. Voraussetzung
dafür ist eine vorbehaltlose Akzeptanz der Kollegen europaweit, ihrer
Tätigkeiten und ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Bedeutung in
den jeweiligen Ländern mit jeweils unterschiedlichen Rechtsordnungen.
Ebenso verbindet das gemeinsame Streben nach hohen Qualitätsstandards
bei der Vermittlung von Fertigkeiten und Kenntnissen und deren
Graduierung.
Durch die 4. Internationale Zusammenkunft zur Bildung und zur Kultur
im Handwerk der Steinmetzen in Europa am 5. und 6. Oktober 2001 in
Soest, bei der Persönlichkeiten aus 16 Nationen mitwirkten, wurde zur
Ausbildung im Steinmetzhandwerk in Europa der nachfolgende Text als
Empfehlung verfasst:
Definitionen
Artikel l
Alle Fertigkeiten und Kenntnisse, die zur Be- und Verarbeitung von
NATURSTEIN gehören, sowie zu den Materialien, die damit in Verbindung
stehen, gehören ureigenst zum Beruf des STEINMETZEN, bzw.
Steinbildhauers.
Zielsetzung
Artikel 2
Es soll eine europaweite Ausbildung im STEINMETZHANDWERK ermöglicht
werden. Ziel ist die Ausbildung zum Gesellen und zum Meister.
Grundbildung
Artikel 3
Die AUSBILDUNG soll alle bekannten Techniken der Steinbearbeitung, der
Restaurierung und der Steinkonservierung vermitteln. Neben den
modernen Steinbe- und -verarbeitungstechniken muss traditionelles
Handwerk vermittelt werden. Es muss aber auch darauf Wert gelegt
werden, dass die Allgemeinbildung und die Kenntnis mindestens einer
Fremdsprache in einem größeren Europa den entsprechenden Stellenwert
in der Ausbildung erhalten.
Ein europäischer Bildungsaustausch soll eine möglichst umfassende
Wissensvermittlung hinsichtlich der Handwerkstechniken sicherstellen.
Die Ausbildungsdauer muss ermöglichen, die Lehr- und
Ausbildungsinhalte eines europaweit abgestimmten Lehrplanes zu
erreichen.
Erweiterung
Artikel 4
Europäische Bildungsmaßnahmen sollen das Erlangen des Berufstitels
EUROPA-GESELLE ermöglichen. Hierbei sollen insbesondere die alten
Steinmetztechniken, aber auch Besonderheiten der Techniken anderer
europäischer Länder vermittelt werden. Die Restaurierungstechniken in
den unterschiedlichen Stilepochen, aber auch in den typischen
Steinsorten (wie Granit, Kalkstein, Marmor, Sandstein usw.), sollen
hierbei wesentlicher Ausbildungsinhalt sein.
Eine kommissionelle Abschlussprüfung über die erlernten Kenntnisse und
Fähigkeiten, sowie das Herstellen eines Gesellenstückes sollen für den
angehenden EUROPA-GESELLEN verpflichtend sein.
Weiterbildung
Artikel 5
Während der Gesellenzeit soll sichergestellt werden, dass sich der
EUROPA-GESELLE entsprechend seiner Fähigkeiten in speziellen
Kursmaßnahmen weiterbilden kann. Förderungsprogramme der Länder sollen
eine berufsbegleitende Weiterbildung ermöglichen.
Schulungsmaßnahmen sollen den angehenden Meister unterstützen, eine
kommissionelle Meisterprüfung abzulegen. Die Herstellung eines
Meisterstückes ist Voraussetzung zur Führung des Berufstitels
EUROPÄISCHER STEINMETZMEISTER.
Verpflichtung
Artikel 6
Neben den Kenntnissen aller modernen Steinbe- und
-verarbeitungstechniken muss der EUROPÄISCHE STEINMETZMEISTER
nachweisen, dass er firm ist in allen alten Handwerkstechniken von der
Antike bis zur Moderne, in den Techniken der Restaurierung unseres
kulturellen Erbes, und dass er in diesem Zusammenhang die CHARTA VON
VENEDIG stets beachtet.
Der EUROPÄISCHE STEINMETZMEISTER verpflichtet sich, im Sinne dieser
Empfehlung auszubilden und insbesondere auch die ständige
Weiterbildung im Sinne eines lebenslangen Lernens zu ermöglichen bzw.
zu unterstützen.
Rechtslage
Artikel 7
In jedem Europäischen Land wird eine ewige Liste der in diesem Sinne
ausgebildeten Gesellen und Meister aufgelegt.
Alle Europäischen Länder sollen den Meistertitel gesetzlich schützen.
Der EUROPÄISCHE STEINMETZMEISTER soll ohne weiteren Nachweis in jedem
Europäischen Land zur freien Ausübung seines Berufes berechtigt sein.
Gesellschaftlicher Stand
Artikel 8
In ihrer Bedeutung für eine Europäische Gesellschaft soll die Kultur
des Steinmetzhandwerks in Europa, in ihrer Gesamtheit und in ihrer
jeweiligen örtlichen Gegebenheit, wichtige Impulse bekommen und weiter
gefördert werden.
Es soll angestrebt werden, dass ein EUROPÄISCHER STEINMETZMEISTER die
Berechtigung zum Studium an einer Hochschule oder Universität erhalten
kann.
Es sollen auch andere Berufsgruppen angeregt werden, sich dem Gedanken
eines EUROPÄISCHEN HANDWERKSMEISTERS anzuschließen.
Mitglieder des herausgebenden Komitees der Erklärung zur Ausbildung im
Steinmetzhandwerk in Europa im Jahre 2001 waren:
Jürgen Prigl (Deutschland), Vorsitzender; Arnold Dall‘Asta (Ungarn);
Franz Bamberger (Österreich);Andrea Bianchi (Schweiz); Maja Capuder
(Slowenien); Gabriella Csanadi (Ungarn); Andre Damkjaer (Dänemark);
Harry Färber (Deutschland); Jean-Paul Foucher (Frankreich); Bernhard
Grassl (Italien); Jette Gustafsen (Dänemark); Michael Hauck
(Deutschland); Kurt Johansson (Schweden); Franz-Josef Kniola
(Deutschland); Ján Krtik (Slowakei); Christian Laurent (Frankreich);
Håkan Lindkvist (Schweden); Marcial Lopez (Spanien); André Malicot
(Frankreich); Sándor Molnár (Ungarn); Breda Potočnik (Slowenien);
Franz Russegger (Österreich); Barbara Schock-Werner (Deutschland); Åke
Gustaf Sjöberg (Schweden); Carolien van der Star (Belgien); Ame Stavik
(Norwegen); Bohumil Teplý (Tschechische Republik); Tonči
Viahovič (Kroatien); Ernst Jan de Vries (Niederlande); Franz
Waldner (Italien)
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